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Am vorletzten Freitag, den 07. Mai, fiel nun endlich der Startschuss für die neue Vortragsreihe des Alumni-Netzwerks am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, den PuK Lunch Lectures. Leider komme ich erst jetzt dazu eine kurze Zusammenfassung zu schreiben – aber besser spät, als nie.

Die Auftaktveranstaltung dieser gemeinsamen Initiative des PuK-Instituts und des PuK-Alumni-Netzwerks widmete sich sogleich einem schwierigen, aber überaus spannenden Thema: der Krisenkommunikation. Unter dem Titel „Krisenkommunikation als Instrument des Krisenmanagements“ gab Carola Wunderlich, PR-Beraterin und Krisenkommunikatorin, einen interessanten Einblick in ihren Arbeitsalltag, ihr Verständnis von Krisenkommunikation und dem professionellen Umfeld.

Zur Person:

Carola Wunderlich studierte anfänglich in Bochum, bevor sie an die Freie Universität wechselte, um Publizistik mit den Nebenfächern Politologie und Germanistik studieren. In ihrer Magisterarbeit beschäftigte sie sich mit der „Entwicklung der Stadtmagazine in West-Berlin und der Bundesrepublik und ihrer Funktion unter Berücksichtigung ihrer Stellung innerhalb der so genannten Alternativpresse“. Nach ihrer freien journalistischen Tätigkeit für das Berliner Stadtmagazin „Zitty“ sowie für den NDR in der TV-Sendereihe „Extra Drei“ kehrte Frau Wunderlich 1983 wieder an die FU zurück, um im interdisziplinären Modellversuch „Öffentlichkeitsarbeit“ an der Dokumentation und dem Zwischenbericht, sowie in der Studienberatung des Ergänzungsstudiengangs im Fachbereich Kommunikationswissenschaften mitzuwirken.

In ihren weiteren Stationen in verschiedenen Tätigkeiten – vor allem in den Bereichen Redaktions-, Projekt-, und Öffentlichkeitsarbeit – betreute Frau Wunderlich zunehmend die Öffentlichkeitsarbeit von konfliktträchtigen Projekten im öffentlichen Raum, beispielsweise öffentliche Bauvorhaben wie das Bauprojekt „Bahnhof Potsdam Stadt“ und das Ausbauvorhaben des Frankfurter Flughafens. Bei letzterem Projekt, den Aus- bzw. Neubau der Landebahn Nord-West, war sie für das Berichtswesen im Mediationsverfahren 1998-2000 verantwortlich. Dem Luftfahrtbereich blieb sie bis zum heutigen Tage weitestgehend treu und arbeitete seit 2002 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und als Pressesprecherin für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), dem Bundesverband der deutschen Flughäfen. In dieser Tätigkeit verantwortete sie die Medienarbeit, Publikationen und Kongresse, betreute den Fachausschuss Öffentlichkeitsarbeit sowie den Relaunch des Internetauftritts in 2002 und 2004.

Aktuell betreibt Frau Wunderlich ihr eigenes Beratungsunternehmen, das Institut für Krisenkommunikation, und engagiert sich in verschiedenen Vereinen und Ehrenämtern:

  • Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V.
  • VICTRESS Initiative e.V. („Excellence knows no gender“)
  • Freunde der Publizistik e.V.
  • FU Berlin – PuK Alumni-Netzwerk

Zum Thema:

Was meinen wir eigentlich, wenn wir von Krisenkommunikation sprechen?

Nun, jedem dürfte klar sein, dass Unternehmen im Licht der Öffentlichkeit stehen, denn sie sind nicht nur Akteure im wirtschaftlichen Sinne, sondern bewegen sich gleichermaßen als Akteure im öffentlichen Raum der Gesellschaft. Gerade in der heutigen Zeit haben sie damit mehr denn je auch soziale und umweltbezogene Aufgaben, an denen sie oftmals von der Öffentlichkeit gemessen werden. Versäumnisse in einem dieser Bereiche – und seien es auch unverschuldete – wachsen sich jedoch schnell zu einer Krise aus, die Image und Bestand des Unternehmens nachhaltig (negativ) beeinflussen und damit gefährden können. Das Meinungsklima ist (besonders großen) Unternehmen gegenüber skeptischer geworden, bisweilen tendiert es sogar in Richtung Ablehnung. Und dies ist nicht nur für klassische „Risikounternehmen“ zu beobachten, wie beispielsweise Biotechnologieunternehmen, Energieversorger oder Mineralölkonzerne, sondern zunehmend auch für Firmen in „normalen“ Branchen. Während manche Manager weiterhin „business as usual“ betreiben, sind für die Unternehmen mit dem veränderten Meinungsklima neue Realitäten entstanden, in denen es gilt mit akut entstehenden, oder auch latent schwelenden Krisen umzugehen.

Als Krisen kann man im Allgemeinen riskante Situationen verstehen, die durch bestimmte Entwicklungen gekennzeichnet sind:

  • sie kommen oft unerwartet und haben zumeist schwere kurz- oder langfristige Folgen
  • sie sind sofort sichtbar und generieren üblicherweise einen enormen Druck in den Unternehmen zu Entscheidungen und (Re)Aktionen
  • sie sind nicht selten ein „gefundenes Fressen“ für die Medien und damit hochgradig gefährlich für das öffentliche Ansehen der betroffenen Unternehmen

Wie schnell Krisen ganze Unternehmen und das entsprechende Top-Management vor überraschende Herausforderungen stellen, zeigen einige Beispiele:

  • Betriebsunfälle, die für Mensch und Umwelt eine Gefahr bedeuten, wie beispielsweise das Leck an einer Ölplattform (aktuell z.B. der Fall „Deepwater Horizon“),
  • Unvorhersehbare Naturereignisse wie der Ausbruch eines Vulkans, der plötzlich ganze Branchen (Luftfahrt, Tourismus) bedroht, weil diese den Betrieb einstellen müssen (aktuell z.B. der Eyjafjallajökull),
  • Datenschutzverstöße, wenn heikle Informationen von Kunden oder Mitarbeitern an die Öffentlichkeit gelangen (aktuell z.B. Vorfälle bei Ruf-Reisen, oder dem SchülerVZ-Netzwerk);
  • Schädliche Mängel an Produkten, die entsprechend zurückgerufen werden müssen (z.B. diverse Kinderspielzeugfälle, Fahrzeugrückrufaktionen)
  • Zögerliche öffentliche Kommunikation, die von der Öffentlichkeit als „Vertuschung von Tatsachen“ wahrgenommen wird (zuletzt beispielsweise in den Störfällen in Kernkraftwerk)

Selbst große Unternehmen werden von solchen Krisen meistens unvorbereitet getroffen. Eine an vielen Stellen ungeschickte öffentliche Kommunikation verschlimmert in nicht wenigen Fällen dann die bestehende Krise sogar noch. Das typische Reaktionsmuster verläuft oftmals vom Schockzustand in eine Abwehr- oder Rückzugshaltung, zum späten Eingeständnis und noch späterer Veränderung und Anpassung.

Krisen ziehen für Unternehmen erhebliche Kosten nach sich, die nicht nur materieller, sondern auch immaterieller Natur sind. Es entstehen Beseitigungs- oder Bekämpfungskosten, Zeitkosten bei der Bindung von Mitarbeiterkapazitäten zur Begleitung der Krisen, Imageschäden und Vertrauensverluste in der Öffentlichkeit sowie die damit verbundenen Einbußen im Absatz, Motivations- und Vertrauensverluste bei den eigenen Mitarbeitern, gegebenenfalls Schadensersatzforderungen und Prozesskosten, und eventuell politische oder gesetzgeberische Auflagen. All dies gilt es eigentlich zu verhindern. Sicherlich gibt es kein Patentrezept, um für Krisen (jeglicher Art) richtig gewappnet zu sein, Frau Wunderlich formulierte jedoch ein paar Dinge, über die man sich im Klaren sein sollte:

  • Die ersten Stunden entscheiden über Tenor und Umfang der publizistischen Krise, und damit oft über das Urteil der Öffentlichkeit
  • Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck
  • Emotionen sind oftmals wichtiger als bloße (harte) Fakten, sie wollen berücksichtigt werden

Tritt dann ein Krisenfall ein ist schnelles und adäquates Handeln das oberste Gebot, das angemessene und schnelle Reagieren unerlässlich. Es gilt Verständnis für die Sorgen und Nöte der Betroffen bzw. der Öffentlichkeit aufzubringen, Verantwortung zu übernehmen und Informationslücken in der öffentlichen Kommunikation zu vermeiden. Besonders in letzerem gilt es schnellstmöglich, bestenfalls innerhalb der ersten Stunde, eine Pressemitteilung herauszugeben und zeitnah eine Pressekonferenz einzuberufen und Leitmedien sowie wichtige Agenturen zu informieren (denn Krisen verlaufen unter einem enormen Zeitdruck). Dabei sollte man besonders die Kommunikation mit den Medien einer medienerfahrenen Führungskraft überlassen. Immer wieder merkt man in Krisenfällen, dass einige Unternehmen schwere Fehler in der Öffentlichkeitsarbeit begehen: sie informieren unzureichend, reaktiv und defensiv, unglaubwürdig und nicht wahrheitsgemäß. All dies gilt es um jeden Preis zu verhindern. Im Zweifel ist es sinnvoller, auch fehlende Erkenntnisse einzugestehen. Frau Wunderlich gab noch ein paar Tipps, die m.E. wichtig sind, aber sich in der Überlegung zu Krisenkommunikation nicht gleich zuallererst aufdrängen. So ist es ratsam bereits im Vorfeld von Krisen Mitarbeiter zu schulen und die Infrastruktur im Krisenfall zu klären. Auch eine Evaluation des gesamten Krisenverlaufs nach der Krise ist eine ratsame Aktion.

Frau Wunderlich stützte ihre Argumente im Laufe ihres Vortrags durch anschauliche Beispiele aus ihrem eigenen Erfahrungshorizont und zog zum Ende der ersten Stunde ein, wie ich finde, sehr eindringliches Fazit und Schlussbemerkungen, die ich hier in Kurzform wiedergeben möchte:

  • „Es versendet sich“ gilt nicht mehr! Das Netz „konserviert“ auch Krisenfälle.
  • Unternehmenskommunikatoren müssen nicht nur Mitglied des Krisenstabes sein, sondern im operativen Krisenmanagement als mitgestaltender Partner akzeptiert sein.
  • Der Trend der Medienberichterstattung zur Dramatisierung in Text und Bild erhöht die Gefahr von Sekundärkrise in der Kommunikation.
  • Gegen die Medien lässt sich keine Krise bestehen. Ohne die Medien und öffentliche Wahrnehmung jedoch auch nicht.
  • Akteure des öffentlichen Lebens erhalten die Berichterstattung, die sie ihrer kompetenten oder auch unprofessionellen Pressestelle – oder vielleicht auch nur sich selbst – zu verdanken haben.

Der gut einstündige Vortrag von Frau Wunderlich gab einen guten ersten Überblick über das Themenfeld und den möglichen Einstieg in die professionelle Krisenkommunikation. Im Anschluss bot sich die ausführliche Gelegenheit für die anwesenden Studierenden und Dozenten des Fachbereichs Fragen zu stellen und einige Themen nochmals tiefergehend zu diskutieren. Die vollständige Wiedergabe würde hier sicherlich den Rahmen sprengen, daher möchte ich nur einige Punkte festhalten, die mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben sind.

  • In nicht wenigen Unternehmen stehen einer schnellen Reaktion im Krisenfall derzeit langwierige Abstimmungsprozesse im Weg. Es ist nicht selten, dass verschiedene Abteilungen (Geschäftsführung, Rechtsabteilung, Technische Abteilung, PR, etc.) eine Pressemitteilung „abnicken“ müssen oder wollen, bevor diese an die Öffentlichkeit kommt. Hier wäre es bedenkenswert, entweder die Prozesse zu verschlanken, oder gleich interdisziplinäre Krisenteams zu bilden, die uneingeschränkt handlungsfähig sind.
  • In einigen Krisen erscheint das Handeln der betroffenen Unternehmen ausschließlich auf die kurzfristige Reaktion ausgelegt zu sein. Besonders bei Personalentscheidungen (ein Mitarbeiter übernimmt Verantwortung und räumt seinen Posten), zeichnet sich in der öffentlichen Wahrnehmung ein Bauernopfer-Bild. Hier dürfte bezweifelt werden, wie nachhaltig solche Aktionen sind – eine Krise „besiegen“ dürften damit in den seltensten Fällen gelingen.
  • Jede Krise kann sich bei ehrlichem Umgang und positiver Bewältigung durchaus in eine Chance wandeln. Positive Imageeffekte können Unternehmen durch den guten und glaubhaften Umgang mit einer Krise entstehen. Selbst das chinesische Schriftzeichen für „Krise“ setzt sich, wie wir von Frau Wunderlich erfahren haben, aus den Symbolen für Gefahr und Chance zusammen.

FAZIT zur ersten PuK Lunch Lecture:

Der Besuch dieser Veranstaltung lohnt! Selten kommt man wohl so einfach an Personen, die so direkt im Berufsumfeld stehen. Die einführenden Vorträge bieten einen guten Überblick über die Person, das Berufsfeld, mögliche Einstiege in den Job und die Herausforderungen, die dieser mit sich bringt. Ich kann einen Besuch nur wärmstens empfehlen! Eine Gelegenheit dazu bietet sich schon diesen Freitag,  wenn die freien Journalisten Ute Büsing und Eberhard Spreng einen Einblick in das Thema „Freier Kulturjournalismus als Autoren in Hörfunk und Print – Erfahrungen im In- und Ausland“ geben.

An dieser Stelle noch einen ganz herzlichen Dank an Carola Wunderlich!