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Screenshot Artikelbild auf Substanz1

Ich habe gerade ein tolles Stück wissenschaftsjournalistischer Arbeit gelesen und empfehle es bereitwillig weiter. Im gerade gestarteten Wissenschaftsmagazin Substanz hat sich Karl Urban2 ausführlich mit der Situation der amerikanischen Polarforschung nach dem Shutdown3 gewidmet:

Nur 16 Tage dauerte im Herbst 2013 die US-Haushaltssperre – doch diese 16 Tage genügten, um fast die gesamte amerikanische Antarktis-Forschung aus den Angeln zu heben. Und mit ihr die Karrierepläne hunderter Nachwuchsforscher. Die Geschichte einer Tragödie.

„Eingebrochen“ ist nicht nur ein thematisch spannendes Stück, sondern (wie ich finde) gut recherchiert, argumentiert und aufbereitet. Zudem kommt es mit allerlei nettem Begleitmaterial (Fotos, Audio, Video) daher das nicht wie so oft üblich in Klickstrecken eingebunden sind, sondern in die Website4 integriert. Der Artikel ist, wie alle Artikel auf der Plattform nicht kostenlos, sondern kostet aufgrund seines Umfangs 3€, die man über Laterpay zahlt. So etwas empfehle ich gern weiter, ein absolut lesenswerter Artikel mit Substanz.

Apropos Substanz

In den vergangenen Jahren wurde allerlei mit den unterschiedlichsten journalistischen Formaten im Digitalen herumprobiert. Neue und alte Ideen wurden herumjongliert, kombiniert, ausprobiert, verworfen und so weiter. Die Diskussion was funktioniert, oder auch nicht, ist mit Sicherheit noch nicht beendet, langweilt mich aber schon jetzt ziemlich. Ich persönlich bin ein großer Fan von langen, ausführlichen Stücken wie man sie bspw. beim Aggregator Longreads findet. Ich mag auch gern die Stücke in denen Audio, Video und Text kombiniert wird. In Deutschland gab es in kürzerer Zeit ein paar dahingehende Initiativen wie Krautreporter, was ich mir persönlich nur kurz angeschaut habe und noch nicht Feuer und Flamme bin.5

Jetzt hat mit Substanz ein Wissenschaftsmagazin den Weg in die Welt gefunden, das genau diesen Weg beschreiten möchte. Und beim ersten Blick, auf das kürzlich gestartete, reine Onlinemagazin bin ich tatsächlich recht angetan. Der Auftritt ist optisch sicher Geschmacksache, sagt mir aber durchaus zu und ich bin froh, dass man hier mal einen leicht anderen Weg beschreitet. Die Beiträge auf Substanz sind nicht kostenfrei – kürzere Beiträge kosten 29cent, ausführlichere Beiträge 3€ und schlussendlich findet man diverse Abomöglichkeiten die von monatlich 9€ bis jährlich 108€ reichen. Das Bezahlmodell basiert technisch auf Laterpay, was wiederum den Vorteil mit sich bringt, dass Interessenten zumindest einmal hineinschnuppern können bevor sie zur Kasse gebeten werden, denn unter dem Claim Jetzt nutzen, später zahlen kann man Inhalte kaufen und sofort nutzen, muss aber erst zahlen sobald man Inhalte für insgesamt 5€ gekauft hat.

Die Macher hinter Substanz sind übrigens keine Neulinge auf dem wissenschaftsjournalistischen Parkett – Denis Dilba und Georg Dahm haben beide bis 2013 bei der deutschen Ausgabe des New Scientist6 gearbeitet. Dilba und Dahms haben für Substanz das Unternehmen Fail Better Media gegründet und eine Finanzierung neben eigenen Finanzen mit einem Crowdfunding bei Startnext komplementiert. Nach ihrer Idee befragt wie sie das Magazin zum Erfolg führen wollen und Leser zum Zahlen animieren wollen, sagt Dilba in einem Interview bei newsroom.de:

Die ganz einfache Antwort: Indem wir Geschichten bieten, die es nicht umsonst gibt. Erstens: Wir versuchen gar nicht erst, mit nachrichtengetriebenen Seiten wie Zeit Online oder Spiegel Online zu konkurrieren. Wir liefern die Einordnung, die großen, etwas zeitloseren Geschichten. Zweitens: Wir inszenieren jede Geschichte von Anfang an fürs Tablet, das wird ein völlig anderes Leseerlebnis als die klassische Kombi “Printgeschichte + leidlich relevante Bildergalerie + Youtube-Link”. Drittens: Wir wollen eine neue Tonalität in den Wissenschaftsjournalismus einführen. Ein Kollege hat unser Konzept mal als “Business Punk für Science-Leser” beschrieben. Das ist gar nicht so falsch.

Alles in allem hat mich der erste Eindruck von Substanz besonders in Hinblick auf die Qualität der Beiträge überzeugt und werde auf jeden Fall erst einmal regelmäßiger Konsument werden. Ich hoffe auf viele weitere spannende Geschichten und wünsche den Herren Dilba und Dahm unternehmerischen Erfolg und ein gutes und faires Händchen bei der Auswahl ihrer Autorinnen und Autoren!

Übrigens hat sich auch Wissenschaftsjournalist Marcus Anhäuser das Magazin nach dem Start angeschaut. Hier sein Eindruck in Videoform:


  1. Karl bloggt als AstroGeo bei den Scilogs und macht den gleichnamigen, sehr empfehlenswerten Podcast AstroGeo
  2. Definition Wikipedia: „Als Government Shutdown…wird in den Vereinigten Staaten die Lage bezeichnet, in der die Behörden der Bundesregierung ihre Tätigkeit zu großen Teilen einstellen und nur noch die als unerlässlich angesehenen Aufgaben erledigen. Der Regierungsapparat fährt bei einem solchen Shutdown herunter, wenn die bisherige rechtliche Grundlage für die Bewilligung von Haushaltsmitteln ausläuft und sich Senat, Repräsentantenhaus und Präsident nicht rechtzeitig über weitere Haushaltsmittel einigen, indem sie ein entsprechendes Gesetz beschließen.“ Der Government Shutdown 2013 beeinflusste neben der Library of Congress unter anderem auch die NASA, oder das Smithonian Institute. 
  3. Disclaimer: Ich habe in Ermangelung eines Tablets nur die Web-Version ausprobiert, bin damit aber sehr zufrieden. 
  4. Bei Krautreporter habe ich immer den Eindruck viele der Beiträge in dieser oder zumindest ähnlicher Form schon einmal woanders gelesen zu haben, habe aber keine Ahnung ob dem wirklich so ist. 
  5. Der deutsche Ableger des britischen Wissenschaftsmagazins, der als 100%ige Tochter des Spiegel gegründet wurde, wurde 2013 nach nur kurzer Zeit wieder eingestellt. 
  6. Screenshot des Artikelbilds auf Substanz.