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Wie sich ja recht eindeutig aus meinen Tweets in der letzten Woche erkennen lassen konnte, war ich von Dienstag bis Donnerstag beim Forum Wissenschaftskommunikation des WiD in Köln zugegen. Das Forum hatte sich unter dem Titel „Zwischen den Stühlen: Wissenschaftskommunikation im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft“ vorgenommen, der Frage nachzugehen „…in welchen Spannungsfeldern Wissenschaftskommunikation stattfindet, wie sie von verschiedenen Gruppen beeinflusst wird und wie die Wissenschaftskommunikatoren dieser Situation begegnen.“

Es wurde von den Teilnehmern des Forums – darunter Wissenschaftsjournalisten, Presse-Referenten, Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit in Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und Messen, aber auch Wissenschaftler – sogar versucht in Plenarvorträgen, Sessions und Diskussionen Antworten auf diese Frage zu geben. Die Qualität bzw. die Art und Weise dieser Antworten war für mich persönlich aber großteils erschreckend. Denn mein persönlicher Eindruck war, nachdem ich das Forum 2010 ausgelassen hatte, dass nach wie vor über dieselben Dinge in der selben Art und Weise diskutiert wurde. Ich will gar nicht allzu sehr ins Detail der einzelnen Vorträge gehen, vieles wurde auch schon bei Kollegen geschrieben, einige Punkte will ich aber doch kurz festhalten.

Es war erschreckend zu sehen, dass für viele Wissenschaftskommunikatoren das Web 2.0 in all seinen Ausprägungen (twitternde Wissenschaftler, twitternde Kommunikatoren, Wissenschaftsblogs, Wissenschaftsorganisationen bei Facebook, u.v.m.) noch immer Neuland, zumindest aber noch eine Randerscheinung ist. An der Stelle fiel mir vermehrt auf, dass an nicht wenigen Stellen noch immer die Mär vom gravierenden Unterschied zwischen Digital Natives, Digital Residents und Digital Visitors gesprochen wird. Das allerdings ist für mich unbegreiflich und sorry, aber es klingt leider wie eine Entschuldigung dafür sich nicht tiefergehend mit den (nun wahrlich nicht mehr neuen) „Neuen Medien“ zu beschäftigen. Es ist für mich ein Rätsel, wie die Kommunikation im Web 2.0 noch immer als eine Art „Kür der Wissenschaftskommunikation“ verstanden und auch so vertreten wird. Es fällt mir schwer zu glauben, dass sich professionelle Kommunikatoren noch immer hinter dem Ammenmärchen um die Digital Natives verstecken. An dieser Stelle kann ich nur eines verdeutlichen: liebe Kommunikationsprofis, es ist Zeit aufzuwachen! Das Web 2.0 wird nicht mehr weggehen, wenngleich es vielleicht auch nicht immer in den jetzt existenten Formen da sein wird. Und mal ehrlich: ist es nicht unsere Aufgabe als Kommunikationsprofis genau die vermeintlichen Unterschiede zwischen Digital Natives/Residents/Visitors zu überwinden???

Sicher, an dieser Stelle muss man sich immer auch die Frage stellen, ob man den Dialog überhaupt möchte, wie man ihn abbilden kann, wie man den Aufwand betreiben kann und welchen Wert das ganze für die jeweilige Organisation hat (zumindest abseits solcher „weichen“ Werte wie Image, Nachwuchsansprache, etc.). Klar, diese Fragen sind großteils noch unbeantwortet, zumindest wenn man die Fragen mehr als nur durch das eigene Bauchgefühl beantwortet wissen will. Gerade dann verstehe ich aber nicht, warum wir uns seit dem ersten Forum vor einigen Jahren jedes Jahr auf’s Neue diese Fragen stellen ohne sie je so richtig zu beantworten? Ich glaube die prägendste, oder zumindest die deutlichste und ehrlichste Einschätzung dazu habe ich von Thomas Gazlig gehört, der klarstellte, dass wir aufhören müssen stets neue Konzepte auf den Tisch zu legen und über (dann doch nicht umgesetzte) Ideen zu diskutieren, sondern dass wir die bestehenden Konzepte und Ideen auf den Prüfstein stellen müssen. Da kann ich ihm nur beipflichten, denn nur im Abrieb durch die reale Umsetzung wird sich zeigen, welche Konzepte tauglich sind und welche Ideen weiter formbar. Ja, ich bin mir bewusst, dass genau das der schwierigste Schritt im Prozess einer modernen Wissenschaftskommunikation ist. Sicher sind die Hürden sehr hoch in der schwierigen Argumentation gegenüber den Verantwortlichen in den Organisationen hinsichtlich der Fragen zur Überprüfbarkeit der Ergebnisse und der Umsetzung des enormen Aufwands. Und dass auch die Argumentation gegenüber vieler Wissenschaftler einiges an Aufwand bedeuten könnte, haben wir u.a. an den Vorträgen von Prof. Ferdi Schüth und Dr. Kathrin Rübberdt gesehen, die beide eher sehr zurückhaltend (um nicht zu sagen konservativ) davon sprachen, was sich Wissenschaftler in der Wissenschaftskommunikation erhoffen würden und was man Wissenschaftlern im Kommunikationsprozess zumuten dürfte. Eine sehr treffende Aussage brachte Schüth, der meinte, dass man nach Watzlawik zwar nicht nicht kommunizieren könnte, dass Wissenschaftler dies aber durchaus manchmal versuchen würden. Aber auch hier beklagen wir uns schon viel zu lange darüber wie schwierig die Umsetzung und die Rechtfertigung sei, anstelle es Schritt für Schritt zu versuchen. Die Wissenschaftskommunikation hadert m.E. in den eigenen Prozessen mit einem der essentiellen Untersuchungsmethoden der Wissenschaft selbst – dem Experiment! Wo ist der Mut bei so vielen, einfach mal etwas auszuprobieren? Wo ist der Mut zu Scheitern, durch dieses Scheitern einem Erfolg aber wenigstens schrittweise näher zu kommen? Und wer sagt überhaupt, dass man Scheitern wird? Wo ist der Spaß???

Wir sind natürlich noch einige große Schritte davon entfernt effektive Kommunikationsprozess für das Web 2.0 entwickelt zu haben, die a) funktioniere, b) den Aufwand für alle erträglich halten und c) dann auch noch übertragbar sind und als Best Practice für eine „breitere Masse“ an Wissenschaftskommunikatoren adaptierbar sind. Ich frage mich allerdings, warum wir seit vielen Jahren dieselben Vorträge über Wissenschaftskommunikation (meist in der Ausprägung von „Kommunikation mit den Medien über Wissenschaft“) und ihre Eigenschaften (die meist grundlegende journalistische Eigenschaften à la Authentizität, Wahrhaftigkeit, etc. sind und damit von allen gekannt werden sollten) hören, anstelle sinnvolle Ideen zu diskutieren wie man interne Prozesse in Wissenschaftsorganisationen so entwickelt, dass sie sowohl dem Wissenschaftskommunikator, als auch dem Wissenschaftler in seinen Ansprüchen gerecht werden?

Und so verwundert es mich auch nicht, dass Michael Sonnabend (der ja auch als Mitglied der Programmkommission fungierte) in seinem Fazit zum Forum darüber nachdenkt, wie man das Format des Forums verändern und verbessern kann, um ein paar gehaltvolle Antworten auf die gestellten und schon so oft diskutierten Fragen zu erhalten. Ich selbst bin mir nicht sicher wie man den Schritt in diese Richtung innerhalb der Veranstaltungsreihe anstoßen könnte. Vielleicht muss man sich, wie es Michael ja auch formuliert, noch mehr vom Frontalvortrag verabschieden. Vielleicht muss man weniger CfP’s bedienen, als vielmehr Geschichten aus der Praxis heranzuziehen? Vielleicht muss man aber auch kleinere Teile des großen Oberthemas Wissenschaftskommunikation einzeln betrachten, z.B. „interne Kommunikationsprozesse als ‘Enabler’ einer Wissenschaftskommunikation nach Außen“, oder so. Vielleicht muss man aber auch am Format etwas drehen – ein Schritt in Richtung Barcamp wäre sicher für das Format etwas zu radikal, aber etwas kommunikativeres als Frontalunterricht mit wenigen anschließenden Wortmeldungen aus dem Publikum dürfte es schon sein. Es wäre schön, wenn vom Forum nicht mehr nur Problembeschreibungen kommen würden, sondern Lösungsansätze. Impulse!

Übrigens habe ich natürlich nicht alle Vorträge und Sessions besuchen können, daher zeichnet sich mein Bild natürlich ausschließlich über meinen persönlichen Eindruck aus den von mir besuchten Veranstaltungspunkten und der Timeline auf Twitter, die unter dem Hashtag #fwk11 eine durchaus amüsante, aber auch kritische Kurzberichterstattung und Diskussion bereithielt. Kollege Henning Krause (@henningkrause) hat übrigens eine Twitterliste zu den (twitternden) Teilnehmern des Forums angelegt.

Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen vom WiD noch einmal für die Organisation danken, die einen guten Job gemacht haben. Für die nächsten Jahre hoffe ich, dass sie das Format noch einmal etwas anspitzen können und aus dem Klassentreffen für Wissenschaftskommunikatoren wieder eine wegweisende Veranstaltung für die Wissenschaftskommunikation machen können!

Update (14.12.): Mittlerweile hat sich an mehreren Stellen eine spannende Diskussion zu vielerlei Aspekten entsponnen. In den Kommentaren zum Blogpost von Christoph (@erklaerfix) disktutierte man eifrig die Frage was eigentlich Wissenschaftskommunikatoren sind und wer sich denn wohl dazu zählen dürfte. Im Blog von Michael Sonnabend und in einem Facebook-Thread von Alex Gerber (Achtung, Link geht zu Facebook) geht es vor allem um die Ausrichtung des Forums im nächsten Jahr. Wenn wir diese Diskussionen forcieren und ins nächste Jahr transportieren können, haben wir etwas wirklich Großes gewonnen!