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Am Freitag der vorletzten Woche (21.05.2010) fand die zweite Veranstaltung der Vortragsreihe des Alumni-Netzwerks am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft statt (Thema: Freier Kulturjournalismus als Autoren in Hörfunk und Print: Erfahrungen im In- und Ausland). Bevor wir morgen bereits in die nächste Runde gehen, möchte ich noch die Gelegenheit nutzen und ein bisschen was zur letzten Lunch Lecture loswerden. Als Gäste waren dieses Mal Ute Büsing und Eberhard Spreng geladen. Beide sind Journalisten,  die vornehmlich, aber nicht ausschließlich im Kulturbereich tätig sind.

Bevor ich ein wenig über den Verlauf der Veranstaltung berichte, möchte ich einen kleinen Disclaimer voranstellen: ich bin kein Kulturjournalist, weise also in beiden Bereichen (Kultur und Journalismus) nur relativ generisches Halbwissen vor.

Zu den Personen:

Sowohl Ute Büsing, als auch Eberhard Spreng haben am Berliner Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert, wo sie sich kennenlernten und auch erste Berührungspunkte mit der Medienpraxis erfuhren. Für beide lag die Initialzündung im uniweiten Streik gegen Berufsverbote im Jahr 1976. Ganz im Sinne einer Habermas’schen Gegenöffentlichkeit galt es damals sich aktiv in den Protesten zu beteiligen und darüber aufzuklären, dass die als Kommunisten verrufenen Professoren aus dem Lehrbetrieb entfernt werden sollten. Büsing/Spreng wendeten sich zu jener Zeit von den verschulten und theorielastigen Seminaren ab und u.a. der Tonbandgruppe zu (neben der Streikzeitung und der Videogruppe), die es immerhin schaffte Inhalte in der Sendung „Hochschule und Gesellschaft“ vom öffentlich-rechtlichen Sender Freies Berlin (SFB) zu platzieren. Mit doppeltem Erfolg wie sich herausstellte, denn das Berufsverbot wurde zurückgenommen und die Praxiserfahrung prägte beide nachhaltig.

Ute Büsing sammelte erste berufliche Erfahrung im Kulturjournalismus beim Berliner Stadtmagazin Zitty, wo sie unter anderem die Bürgerinitiativen-Seiten betreute. Weitere Stationen waren Stringer Associated Press, Berliner Allgemeine Wochenzeitung, Tageszeitung, SFB („Hochschule & Gesellschaft“, „Journal in 3“, „Zeitpunkte“), RIAS („Rockjournal“), NDR, SDR, BR. Insgesamt war ihre Arbeit, besonders in den Anfangsjahren, geprägt von gesellschafts- und sozialpolitisch von ihr als relevant erachteten und tatsächlich bedeutsamen Bewegungs-Phänomenen (Anti-AKW, Häuserkampf, Frauenbefreiung, Migration). 1983 ging sie als Auslandskorrespondentin für mehrere Jahre nach New York City und berichtete dort für eine Vielzahl deutscher Medien aus Amerika und erweiterte auch ihren Themenfokus (Musik, Obdachlosen-Problematik, Bürgerrechtsbewegung der Afroamerikaner, Politik der Vereinten Nationen). Seit ihrer Rückkehr nach Berlin (1998) arbeitet sie nicht nur für den öffentlichen Rundfunk (z.B. SFB/ ORB, RBB, DW, DLF, NDR, BR, MDR), sondern auch für diverse Printmedien (TIP, Morgenpost) als freie Kulturjournalistin. Sie beschäftigte sich zunehmend mit einem breiteren, gesellschaftlich begründeten Kulturjournalismus. Nebenbei beschäftigt sie sich als Buchautorin (z.B. „Bar jeder Vernunft – die Kunst der Unterhaltung“ Eichborn Verlag).

Seit dem Abschluss des Studiums am Institut für Publizistik an der FU ist Eberhard Spreng als freier Kulturjournalist, Kritiker und Übersetzer in Berlin und Paris für zahlreiche Medien in Deutschland, der Schweiz und Frankreich tätig. Er wirkte daneben künstlerisch an mehreren Produktionen großer französischer Theater mit. Seit 1997 Reisen und Berichte über kulturelle Entwicklungen des arabischen Mittelmeerraums. Von 2000 bis 2002 war er Chefredakteur Deutschland für das europäische Internet-Kulturportal Divento. Seitdem konzentrierte er sich wieder überwiegend auf die Theaterberichterstattung, arbeitet als Kritiker für den Deutschlandfunk sowie als Übersetzer für die Édition de l’Arche, Paris.

Zur Veranstaltung:

Das spannende Duo Büsing/Spreng berichtete zunächst sehr dialogisch (zwischen sich) und unterhaltsam über ihren eigenen Einstieg in die Medienpraxis bzw. in ihr späteres Berufsfeld, den Kulturjournalismus.

Aber was ist eigentlich Kulturjournalismus? Kulturjournalismus dürfte sich am ehesten als Subsystem des Journalismus fassen lassen, welches sich kritisch einem bestimmten Themenkreis widmet – üblicherweise Literatur, Theater, Film, Musik, Kunst und Medien – und dies unter der journalistischen Arbeitsweise (Recherchetechnik, Erzählformen etc.) tut. Stephan Porombka, Juniorprofessor für Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim, gibt in seinem Aufsatz für das Handbuch Literaturwissenschaft, Bd. 3: Literaturwissenschaft als Institution (Berufsfelder) eine recht taugliche Ergänzung zur Definition. Er beschreibt Kulturjournalismus als eine „Form des Schreibens, über die unter genau formulierten zeitlichen, thematischen und formalen Vorgaben ‚Gebrauchstexte‘ entstehen.“ An späterer Stelle betont er wie wichtig es ist, „Interesse an der Kultur im umfassenden Sinn zu entwickeln und von eigenen Recherchen, Beobachtungen und Erfahrungen kompetent erzählen zu können.“

Im Gegensatz zum Kulturjournalismus (oder dem Journalismus allgemein) der 70er und 80er Jahre stehen wir heutzutage allerdings vor stark veränderten Voraussetzungen – das betonten auch beide Gäste. Die meisten Verlage stehen unter enormem ökonomischen Druck, viele haben entsprechend die Redaktionen der einzelnen Ressorts personell und finanziell stark eingeschränkt. Damit hat sich auch die Beschäftigungsstruktur verändert. Viele Journalisten arbeiten als Freie, stehen jedoch vor dem Dilemma, dass sich Beiträge und Artikel nicht mehr so einfach mehrfach verwerten lassen (eine total-buy-out-Diskussion möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht vom Zaun brechen). Auch der Zugang für Nachwuchsjournalisten ist nicht einfacher geworden. Heutzutage wird viel eher erwartet im Job direkt und unmittelbar produktiv einsetzbar zu sein, eine lange Einführung oder gar Ausbildung dürften die wenigsten Medienhäuser ihren Journalisten bieten. Das jedoch stellt den Nachwuchs vor das Problem, dass man sich das Wissen um Arbeitsweise, Technik, Produktion etc. weitestgehend bereits vor dem Schritt in die Praxis aneignen muss. Ob dies an der Vielzahl der Aus- und Weiterbildungsstätten wirklich immer gewährleistet ist, ist zumindest fragwürdig (ich schätze, dass viele Hochschulen noch in der praxisbezogenen Ausbildung Defizite aufweisen, während praxisorientierte Ausbildungsträger vielleicht ein Defizit in der methodischen, politischen oder gar gesellschaftstheoretischen Ausbildung defizitär aufgestellt sind). So bleibt den meisten Nachwuchsjournalisten nur der Weg sich sozusagen „on the fly“ die entsprechenden Kenntnisse anzueignen oder sie zu vertiefen. In der Diskussion mit Ute Büsing und Eberhard Spreng kamen diese Punkte an einigen Stellen auf, eine Lösung dafür konnten jedoch beide (erwartungsgemäß) nicht liefern. Dennoch gab es Tipps von den Experten:

  • Früh in die Möglichkeiten des technischen Equipments einarbeiten (der Kulturjournalist ist heutzutage nicht nur Redakteur oder Autor seines Beitrags, sondern auch Cutter oder Produzent)
  • Erfahrung vor dem Schritt in das Praktikum, das Volontariat oder den Job machen – in den Jobs erhält man nur noch selten eine Einführung, hier gilt es produktiv einsetzbar zu sein
  • Sich mit den Dingen beschäftigen, die einen auch inhaltlich interessieren

Während es für den ersten Tipp sicher den einen oder anderen Ansatzpunkt gibt (Seminare in der Uni, Gebrauch im privaten Umfeld, usw.) stellte sich im zweiten Tipp eigentlich die implizite Frage nach dem Königsweg in den Kulturjournalismus (Welcher Weg eröffnet mir denn nun die besten Chancen?). Genau hier gibt es jedoch anscheinend keine favorisierte Lösung. Am besten lässt es sich wohl mit einem simplen Prozessschlagwort beschreiben: „trial and error“. Oder anders gesagt: Schreiben (oder produzieren) was das Zeug hält und versuchen einen „Abnehmer“ für seine Arbeiten zu finden. Somit erlernt man zumindest das Handwerkszeug, findet vielleicht seinen eigenen journalistischen Stil und bekommt ein Gefühl für das Metier. Wie man allerdings seine Arbeiten wirklich „an den Mann“ bringt, konnte auch in der Diskussion nicht abschließend geklärt werden.

Vielleicht hilft an dieser Stelle der zurückliegende, rasante Fortschritt in der Digitalisierung. Während der Lunch Lecture wurde das Spannungsfeld, das durch die Digitalisierung und das World Wide Web entsteht, heiß und vornehmlich kritisch diskutiert. Sicherlich bewirkte es einen tiefgreifenden Wandel der Öffentlichkeit und zum Teil auch die Verwässerung der tradierten Rollenaufteilung zwischen Medienkonsumenten (Leser/Hörer) und Medienproduzenten (Journalist). Heute sind die Konsumenten so aktiv wie die Produzenten und treten damit nicht selten in ein Konkurrenzverhältnis im Kampf um die Aufmerksamkeit der Leser- oder Hörerschaft. Auch wenn nicht alle Otto-Normalverbraucher so gebildet sind wie die Feuilletonisten, so sind die Informationsvorsprünge nicht mehr länger nur ein Privileg einer kulturellen Infoelite. Der journalistische Anspruch einer umfassenden Aufklärung ist ins Stocken geraten, inzwischen zählt mehr und mehr auch ein gewisser Unterhaltungszwang, dem Journalisten unterliegen, damit sie auch weiterhin in ihrem angestammten Medium publizieren dürfen.

Meines Erachtens bietet diese Entwicklung hin zum „Prosumer“  jedoch auch riesige Chancen für den Nachwuchs. Niemals zuvor war es so einfach sich selbst eine Plattform zum Publizieren zu schaffen, sich auszuprobieren und die Reaktion auf die eigene Arbeit (Beiträge, Artikel etc.) am „lebenden Publikum“ unter realen Bedingungen, oder vielmehr in der realen Umwelt, zu testen. Gerade die modernen Kommunikationsmittel ermöglichen nicht nur die kostengünstige Bereitstellung einer Infrastruktur, sondern bieten darüber hinaus genug Möglichkeiten um auf das eigene Angebot aufmerksam zu machen. Wer dies konsequent nutzt, dürfte meiner Meinung nach durchaus Chancen haben sein „Produkt“ auch in den Aufmerksamkeitshorizont der etablierten Medien (bzw. eher ihrer Personalie) zu bekommen. Gerade solche Möglichkeiten wie z.B. eine Lizenzierung der eigenen Inhalte unter offenen Lizenzen (Creative Commons Share Alike o.ä.) erweitert die Grenzen der Aufmerksamkeit für die eigene Person und Arbeit wiederum um ein Stück und trägt somit zumindest zur eigenen Reputation bei. Womöglich ist dies kein sonderlich tragfähiges Modell, um sich einen konstanten Einkommensstrom zu generieren, aber ein Weg des oben angesprochenen „trial and error“, des Erfahrungen-Sammelns, dürfte es schon sein.

Zum Abschluss dieser PuK Lunch Lecture fiel dann noch ein Gedanke, der recht banal erscheint, aber den Kern der Sache trifft und zumindest interessant für all jene sein dürfte die in den Bereich Kulturjournalismus wollen: Als Kulturjournalist reicht es mitnichten nur den Veranstaltungskalender zu kommentieren, das Herz der Sache liegt noch immer darin die Lebenswelt zu analysieren.

FAZIT:

Der Besuch dieser Veranstaltung lohnt sich nach wie vor! Die Mischung der Gäste dürfte für so ziemlich jede Interessensrichtung innerhalb der Publizistik etwas bieten. Ich kann einen Besuch nur wärmstens empfehlen! Und mit den richtigen, unverblümten Fragen kann man noch einiges mehr aus den Vortragenden „herauskitzeln“ – also, die Chance nutzen!

Eine weitere Gelegenheit dazu bietet sich schon am morgigen Freitag, wenn Christoph Schwab, Head of Research bei Goldmedia Custom Research GmbH, über Medienwirkungsforschung in der Praxis spricht.

An dieser Stelle noch einen ganz herzlichen Dank an Ute Büsing und Eberhard Spreng!